21. Juli 2023
"Die Bundesregierung sieht keine Notwendigkeit, den Einfluss privater Stiftungen generell „zurückzudrängen“
Das geht aus einer Kleinen Anfrage von den drei Abgeordneten der Linken - Andrej Hunko, Cornelia Möhring, Dr. André Hahn - und der Bundestagsfraktion der Linken an die Bundesregierung hervor. Die Antwort der Bundesregierung ist in der Bundestag Drucksache 20/7512 20 vom 30.06.2023 festgehalten.
Der Hintergrund der Anfrage
Nach Darstellung der Anfragesteller der Bundestagsfraktion der Linken wuchs in den letzten Jahrzehnten der sogenannte philanthropische Sektor gemessen an der Anzahl an Stiftungen. Das jährliche Fördervolumen und die geographische Reichweite der NGO Aktivitäten stieg. Zahlreiche Multimilliardäre gründen ihre eigenen „philanthropischen“ Stiftungen.
Wenig transparente Informationen vorhanden
Die Abgeordneten der Anfrage monieren, dass "verlässliche, vergleichbare und öffentlich zugängliche Informationen über die Höhe des (staatlichen) jährlichen Fördervolumens (für die privaten Stiftungen) kaum vorhanden sind."
Die Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) beziffert für den Zeitraum von 2016 bis 2019 ein weltweites Fördervolumen von 43 Milliarden US-Dollar dieser Stiftungen für globale Entwicklung insbesondere für Globale Gesundheit.
Viele Stiftungen haben auch Einfluss auf entwicklungspolitische Strategien sowie deren Umsetzung auf nationaler Ebene.
Die Abgeordneten weisen darauf hin, dass insbesondere die Bill & Melinda Gates Stiftung (BMGF) zu einem der einflussreichsten Akteure bei der Gestaltung internationaler Gesundheits- und Landwirtschaftspolitik geworden ist. Allein das BMGF Stiftungsvermögen beläuft sich auf 53,3 Mrd. US-Dollar.
Im Jahr 2021 wurden von der BMGF 3,2 Mrd. US-Dollar als Spenden in Organisationen und Einrichtungen investiert.
Die BMGF ist darüberhinaus größter privater und zweitgrößter Geldgeber der Weltgesundheitsorganisation (WHO). Bei der WHO ist der Einfluss privater Stiftungen insbesondere der BMGF enorm hoch.
Die Antwort der Bundesregierung zeigt nun: Allein die BMGF taucht als Kooperationspartner in 31 Großprojekten auf. Vom Bund sind dafür enorme Fördermittel aus Steuergeldern für die BMGF Projekte bereit gestellt worden.
Die Anfrage der Linken weist bereits in der Begründung der Anfrage auf die Steuermittel für Projektförderung in Milliardenhöhe hin:
"Mit nicht unerheblichen Haushaltsmitteln von bis zu 1 Mrd. Euro jährlich aus den Entwicklungs- und Gesundheitsetats beteiligt sich die Bundesregierung an den genannten und weiteren privat-öffentlichen Organisationen GFATM, GAVI, CEPI,"
Eine Evaluierung der Projekte fand trotz der enormen Fördersummen im Gros der geförderten BMGF Projekte nicht statt.
Politico EU und Welt Recherche zeigen enorme finanzielle Einflussnahme von privaten Organisationen auf die Europa- und Bundespolitik
Monatelange investigative Recherchen von „Politico EU“ und "Welt" belegen den enormen Einfluss der BMGF auf die COVID19-Maßnahmen von Regierungen und internationalen Organisationen wie WHO.
Nach Recherche von Politico EU vom 14.09.22 haben die vier NGOs - Gates Stiftung BMGF, GAVI Impfallianz. Wellcome Trust und CEPI - insgesamt 10 Milliarden US-Dollar investiert um finanziell & politisch Einfluss auf höchste Ebenen der US-Regierung, EU Kommission und WHO zu erlangen.
Die zentralen Aussagen der Politico Recherche sind:
Bei der Kleinen Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken geht es nun weniger um die von der BMGF ausgeschütteten Spenden an Einrichtungen. Vielmehr geht es genau umgekehrt um Beteiligungen der Bundesregierung an BMGF Projekten mit staatlichen Fördermitteln.
Was ist neu an der Anfrage der Bundestagsfraktion der Linken?
Neu ist, dass Abgeordnete des Bundestages die Bundesregierung zur Rolle und Einfluss von Nichtstaatlichen Organisationen (Non-Government-Organizations NGOs) auf die Regierungsarbeit umfassend und konkret befragen. Es gab zwar bereits eine Kleine Anfrage der AfD zu einem einzelnen Förderprojekt der BMGF in 2021. Es gab jedoch offensichtlich keine umfassende Anfrage speziell zu den geförderten Projekten in der Pandemiezeit.
Die Drucksache des Bundestages 20/7512 erstreckt sich über 117 Seiten. Davon sind über 100 Seiten Anlage mit allen geförderten Projekten in denen nicht staatliche Organisationen wie private Stiftungen Zuwendungsempfänger von staatlichen Förderungen sind.
Zusammenarbeit mit privaten Stiftungen ist nicht unumstritten
Die Abgeordneten der Linken begründen ihre Anfrage u.a. wie folgt:
"Die Zusammenarbeit mit privaten Stiftungen ist nicht unumstritten. Kritiker befürchten, dass durch die Einbindung von Stiftungen in staatliche Aufgabenbereiche die demokratische Willensbildung, Zielfestlegung und Kontrollmechanismen ausgehebelt werden und private Interessen eine zu große bis dominante Rolle spielen könnten."
Fest steht, dass nicht staatliche NGOs von den Bürgern nicht gewählt werden. Die Bürger haben vielmehr die politischen Parteien und deren Mandatsträger gewählt. Diese unterliegen parlamentarischer Kontrolle und dürfen keine privaten Interessen verfolgen.
Ganz anders bei NGOs. Diese unterliegen keiner Kontrolle und können unabhängig von Wahlperioden von der Öffentlichkeit langfristig Ziele mit privaten Interessen verfolgen.
"Eine gründliche Prüfung der Risiken und Nebenwirkungen der Aktivitäten philanthropischer Stiftungen wäre daher geboten. Die Bundesregierung sollte über aktuelle Partnerschaften transparent kommunizieren und diese anhand transparenter Kriterien evaluieren. Zukünftige Partnerschaften und Kooperationen sollten anhand klarer Regeln und Leitlinien geprüft und ausgestaltet werd
Die Realität sieht anders aus:
Nach Begründung der Anfrage hat der Bundesrechnungshof wiederholt kritisiert, dass die Bundesregierung, vor allem das Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit BMZ, in der Vergangenheit mehrfach mit öffentlichen Geldern sich an der Gründung und dem Betrieb von privaten Stiftungen beteiligt hat. Dies ist nur ein Beispiel. Laut Anlage der geförderten Projekte fehlt bei fast allen geförderten BMGF Projekten eine Evaluierung. Diese wäre aber notwendig um zu sehen, ob die enormen Fördersummen im Sinne der Bürger und nicht im Sinne privater Interessen eingesetzt wurden.
Die gesamte Förderpolitik von Großprojekten speziell für kapitalstarke private Stiftungen wie der BMGF bedarf deshalb einer grundlegenden Überprüfung.
Die Bundesregierung bzw. das BMZ selbst hält die Einbeziehung von privaten Stiftungen für unverzichtbar. Die Antwort im Wortlaut:
Die Agenda 2030 für nachhaltige Entwicklung betont explizit, dass für die Erreichung der globalen Nachhaltigkeitsziele die aktive Einbeziehung privater Akteure unverzichtbar ist (vgl. u. a. SDG 17).
Warum die Ziele der Vereinten Nationen der Agenda 2030 nur mit Hilfe privater Stiftungen zu erreichen sein sollen, erschließt sich nicht.
Eine solche Behauptung suggeriert, dass die Staaten der UN Weltgemeinschaft - die sich der Agenda 2030 angeschlossen haben - offensichtlich nicht in der Lage oder zu schwach sind um diese allein mit staatlichen und von Parlamenten kontrollierten Mitteln die Ziele zu erreichen. Dies kommt einer Bankrotterklärung staatlicher Kompetenz und Zuständigkeit gleich.
Die "Unverzichtbarkeit der Einbeziehung privater Akteure" bedeuten das Eingeständnis: Private Interessen der NGOs haben weitreichenden Einfluß gewonnen und stehen im Vordergrund. Die vom Volk gewählten Mandatsträger haben wichtige staatliche Aufgabenbereiche privaten Stiftungen übertragen.
Das entspricht nicht demokratischen Standards für die politische Willensbildung.
Hieraus leitet sich auch der Auftrag für eine entsprechende Zusammenarbeit mit diesen Akteuren ab.
Dieser Satz lässt aufhorchen. Offensichtlich leitet die Bundesregierung einen Auftrag für die Zusammenarbeit mit NGOs wie mit BMGF, Rockefeller Foundation, Gavi oder CEPI pauschal ab. Selbst die WHO ist eine NGO die keiner parlamentarischen Kontrolle unterliegt. Deshalb können in der WHO gewichtige private Geldgeber und Mitglieder wie die BMGF eine maßgebliche - aber kaum kontrollierbare - Rolle spielen.
Woraus sich für die Bundesregierung der Auftrag der Zusammenarbeit mit NGOs ergeben soll und wie die Bundesregierung dies in Bezug zur parlamentarischen Demokratie rechtfertigen könnte, ergibt sich leider nicht aus der Stellungnahme der Bundesregierung.
Ein Auftrag der Bundesregierung mit nicht staatlichen Organisationen NGOs in größerem Umfang zusammenzuarbeiten, kann dem parlamentarischen Grundgedanken widersprechen. NGOs sind privat und verfolgen private (Wirtschafts-) Interessen. Sie unterliegen nicht der parlamentarischen Kontrolle und können auch nicht vom Bürger abgewählt werden. Sie führen deshalb ein Eigenleben und können über Wahlperioden hinaus lange prägend die Politik beeinflussen.
Transparenztest Resümee
Endlich stellen Abgeordnete die Frage nach dem politischen Einfluss privater Organisationen auf die Bundespolitik. Die Anfrage war überfällig. Zu gewichtig sind die NGOs wie BMGF, Rockefeller Foundation oder Wellcome Trust geworden.
Die Frage ist nun, was aus den Antworten der Bundesregierung gemacht wird.
Es überrascht erstmal, wie unverblümt die Bundesregierung die starke Einflussnahme der NGOs auf die Bundespolitik einräumt. Noch mehr überrascht, dass sie dies als alternativlos darstellt. Wie hier die Aushebelung demokratischer Strukturen vermieden werden kann, bleibt unklar.
Aus der Antwort wird nicht klar, warum die Bundesregierung sich nicht in der Lage sieht die wichtigen politischen Fragestellungen ohne Hilfe von privaten Organisationen leisten zu können. Man wird den Eindruck nicht los, dass die NGOs teilweise die Leitung bzw. Führung des politischen Willensprozesses -zumindest in bestimmen Fragestellungen wie pandemische Vorbereitung oder Impfstoffentwicklung - übernommen haben.
In der Coronazeit wurden auffällig oft die Grundrechte der Bürger ohne nachvollziehbare Begründung oder belastbare Datenlage beschnitten und ausgehebelt. Welchen Einfluss hierbei die NGOs auf die EU- oder Bundespolitik ausgeübt haben und welche privaten eigennützigen Aspekte dabei verfolgt wurden, sollte deshalb zukünftig genau unter die Lupe genommen werden.
Dies kann und sollte auch gerade nach der Pandemiezeit erfolgen.
Unsere Tt Fragen:
Woher leitet die Bundesregierung den Auftrag ab, NGOs / private Stiftungen als Kooperationspartner in staatliche Aufgabenbereiche einzubeziehen?
Warum gab es bisher keine oder so wenige konkrete Anfragen zur Einbeziehung von NGOs in staatliche Aufgabenbereiche?
Welche Kontrollmechanismen sind vorgesehen um zu überprüfen, dass die demokratische Willensbildung im Sinne der Bürger nicht ausgehebelt wird?
Warum hat die Bundesregierung, vor allem das BMZ, sich in der Vergangenheit mehrfach mit öffentlichen Geldern an Gründung und Betrieb von privaten Stiftungen beteiligt - obwohl dies mehrfach vom Bundesrechnungshof kritisiert wurde?
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Quellen:
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Andrej Hunko, Cornelia Möhring, Dr. André Hahn, weiterer Abgeordneter und der Fraktion DIE LINKE. – Drucksache 20/6836 – Stand der Zusammenarbeit zwischen der Bundesregierung und privaten Stiftungen
www.oecd-ilibrary.org/development/ private-philanthropy-for-development-second-edition_cdf37f1e-en
pmnch.who.int/news-and-events/articles/item/who-civil-society-co mmission-participation
www.welt.de/politik/deutschland/plus241078911/Corona-Politik-Die-Machtmaschine-des-Bill-Gates.html
https://www.politico.com/news/2022/09/14/global-covid-pandemic-response-bill-gates-partners-00053969
Antwort der Bundesregierung auf die Kleine Anfrage der Abgeordneten Dr. Anton Friesen, Peter Boehringer, Franziska Gminder und der Fraktion der AfD – Drucksache 19/25400 – Unterstützung der „Better than Cash Alliance“ durch die Bundesregierung, 18.01.2021
Kleine Anfrage der Abgeordneten Uwe Kekeritz, Claudia Roth (Augsburg), Peter Meiwald, Annalena Baerbock, Marieluise Beck (Bremen), Dr. Franziska Brantner, Agnieszka Brugger, Tom Koenigs, Dr. Tobias Lindner, Omid Nouripour, Cem Özdemir, Manuel Sarrazin, Dr. Frithjof Schmidt, Jürgen Trittin, Doris Wagner und der Fraktion BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN Zusammenarbeit der Bundesregierung mit privaten Stiftungen, insbesondere der Bill & Melinda Gates Foundation, 2.5.2016
Unsplash: Moritz Lüdge
Text: BT-Drucksache 20/7512 20
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